Gründe für die Vernachlässigung von Digitalisierung im Vertrieb und Automatisierung im Marketing in Deutschland und Europa

  1. Fokus auf Produktion und Ingenieurskunst:
    Deutsche und europäische Unternehmen haben traditionell ihre Kernkompetenzen in der Herstellung hochwertiger Produkte gesehen. Prozesse wie Vertrieb und Marketing wurden oft als unterstützende Funktionen betrachtet, die weniger Priorität genossen.

  2. Kulturelle Präferenzen für persönliche Beziehungen:
    In Deutschland und Europa wird viel Wert auf persönliche Geschäftsbeziehungen gelegt. Direkter Kontakt, persönliche Treffen und Verhandlungen hatten einen höheren Stellenwert als digitale und automatisierte Lösungen. Diese Kultur bremste die Einführung moderner Vertriebstechnologien.

  3. Regulierungen und Datenschutz (z. B. DSGVO):
    Der strenge Datenschutz in Europa, insbesondere die DSGVO, machte die Einführung datenintensiver Automatisierungslösungen schwieriger. Unternehmen waren zurückhaltend, aus Angst vor Compliance-Verstößen und hohen Bußgeldern.

  4. Zögerlichkeit bei Investitionen in nicht greifbare Technologien:
    Viele Unternehmen in der Region priorisierten Investitionen in physische Produktionsmittel oder greifbare Technologien über Softwarelösungen, die schwerer zu quantifizieren und rechtfertigen waren.

  5. Fehlendes Bewusstsein für den ROI von Marketing-Automatisierung:
    Die Vorteile von Automatisierung im Marketing, wie datengetriebene Entscheidungsfindung und Effizienzsteigerung, wurden oft unterschätzt. Vertrieb und Marketing galten als Bereiche, in denen menschliche Interaktion unerlässlich schien.

  6. Fragmentierte Marktplattformen und geringe Digitalisierung im B2B-Bereich:
    Im Vergleich zu den USA war der europäische Markt stärker fragmentiert, was die Entwicklung und Einführung einheitlicher digitaler Plattformen erschwerte. B2B-Unternehmen waren weniger digitalisiert, und viele Prozesse basierten auf traditioneller Dokumentation und Kommunikation.


Der Wendepunkt: Wie die Aufholjagd begann

  1. Erkenntnis des Wettbewerbsdrucks:
    Europäische Unternehmen erkannten, dass sie im globalen Wettbewerb zurückfielen, insbesondere gegenüber US-amerikanischen Firmen, die frühzeitig auf digitale Transformation und Automatisierung setzten.

  2. Pandemie als Katalysator:
    Die COVID-19-Pandemie zwang viele Unternehmen, digitale Vertriebskanäle und Marketingautomatisierung schneller einzuführen. Der persönliche Kontakt war plötzlich eingeschränkt, und Unternehmen mussten Alternativen finden, um ihre Kunden zu erreichen.

  3. Übernahmen und Integration von Drittanbietern:
    Große europäische Unternehmen begannen, durch gezielte Übernahmen und Kooperationen mit Drittanbietern den Rückstand aufzuholen:

    • SAP und Hybris: SAP integrierte Hybris, um eine moderne E-Commerce- und Marketinglösung anzubieten.
    • HubSpot und Salesforce-Partnerschaften: Europäische Unternehmen implementierten führende CRM- und Automatisierungslösungen von globalen Anbietern.
  4. Lokale Anbieter und europäische Innovationen:
    Lokale Anbieter wie Emarsys (später von SAP übernommen) und Evalanche boten spezialisierten europäischen Unternehmen Marketingautomatisierungslösungen, die auf den strengen Datenschutz ausgerichtet waren.

  5. Regulatorischer Rahmen für Vertrauen:
    Die DSGVO schuf nicht nur Hindernisse, sondern auch Vertrauen. Unternehmen erkannten, dass sie mit datenschutzkonformen Lösungen einen Wettbewerbsvorteil erlangen konnten.

  6. Technologie-Förderprogramme:
    Regierungen und EU-Institutionen starteten Initiativen, um die Digitalisierung voranzutreiben. Förderprogramme für KMU halfen, Hemmschwellen abzubauen.


Kulturelle Hintergründe und Veränderungen

  1. Von Perfektionismus zu Agilität:
    Deutsche und europäische Unternehmen neigen dazu, Perfektion vor Innovation zu stellen. Dieser Ansatz bremste die Einführung neuer Technologien, da Unternehmen lange Evaluierungszyklen hatten. Die Notwendigkeit, schnell auf Marktveränderungen zu reagieren, hat diesen Perfektionismus in Teilen aufgebrochen.

  2. Bewusstsein für Skalierung:
    Die Erkenntnis, dass digitale Tools und Automatisierung Vertrieb und Marketing skalierbar machen können, führte zu einem Mentalitätswandel, insbesondere bei Start-ups und Tech-Unternehmen.

  3. Generationenwechsel:
    Jüngere Führungskräfte brachten neue Ansätze und Technologien in Unternehmen ein, die traditionell eher konservativ waren.

  4. Globalisierung der Märkte:
    Die verstärkte Konkurrenz aus den USA und Asien zwang europäische Unternehmen, digitalisierte und automatisierte Lösungen zu implementieren, um wettbewerbsfähig zu bleiben.


Fazit: Aufholjagd mit gezielten Maßnahmen

Die Integration von Drittanbietern und die Anpassung an moderne Technologien haben europäischen Unternehmen geholfen, ihre Rückstände aufzuholen. Die kulturelle Neigung zu Perfektion und die Betonung persönlicher Beziehungen bleiben bestehen, werden jedoch zunehmend durch datengetriebene Strategien ergänzt. Die Digitalisierung und Automatisierung in Vertrieb und Marketing sind in Europa nicht nur ein technologischer Wandel, sondern auch ein kultureller und strategischer Shift.